Interview

Das erste ACTIONZ Kunstfestival ist vorbei. Wie hat alles angefangen?

Das erste ACTIONZ Kunstfestival ist vorbei. Wie hat alles angefangen? Warum hat sich eine Gruppe junger Künstler entschieden, ihre neuesten Werke in einem tausend Jahre alten Gebäude eines ehemaligen Klosters auszustellen? Unser Interview mit dem Galeristen Alex von Hahn und der Veranstaltungsleiterin Charlott Katrin Meisel.

Interview mit dem Galeristen Alex von Hahn

Wie würden Sie Zscheiplitz in drei Worten beschreiben?
Erwartung - Erlebnis - Erinnerung
Was sollte man von einem Besuch in Zscheiplitz mitnehmen?
Erinnerungen und Legenden an einen Ort, der so alt ist wie Europa selbst.
Die Verbundenheit mit Menschen, die das Authentische und Wahre lieben.
Dankbarkeit gegenüber der Natur, die großzügig und freundlich in ihrer Fülle und Schönheit ist.
Welche Bedeutung hat die Kunst für Sie persönlich?
Kunst ist das System der Kommunikation. Sie ist eine Sprache, die man lernen muss, um die Botschaft zu verstehen. Sobald man ein paar Worte beherrscht, kann man an einem Dialog teilnehmen, der sich über Jahrhunderte, Kulturen, ästhetische und philosophische Konzepte, aber auch über die Herzen und Köpfe längst vergangener, aber auch bald kommender Generationen erstreckt.
Woher kommt Ihr Interesse an der Kunst und sind Sie selbst ein Künstler?
Jeder Mensch, der einen Satz aussprechen kann, ist ein Künstler. Jeder hat etwas zu sagen. Der einzige Unterschied zwischen großen Künstlern und dem Rest von uns ist das Ausmaß: Große Künstler erschaffen Worte, Sprachen, eigene Welten, während die meisten von uns nur borgen - Worte, Bilder, sogar Gefühle. Mein 'künstlerisches Credo' lautet: Ich versuche, nicht nur 'ich selbst zu sein', sondern auch 'mich selbst zu machen' - einen Raum der Kunst und für die Kunst zu schaffen, der Kreativität zu erlauben, in alle Richtungen zu fließen, wie turbulent und herausfordernd das auch sein mag.
Wie sind Sie auf Frau Meisel aufmerksam geworden? Was fasziniert Sie an der Kunst von Frau Meisel und welche Bedeutung hat sie für Sie?
Die richtige Frage ist - wie konnte ich Frau Meisel so lange nicht kennen?))

Wir haben uns 2023 kennengelernt.Sie kam gerade mit ihren Freunden in meine Galerie und erklärte sie für „ideal“.Eine Frau in ihren Zwanzigern, die sich in ein tausend Jahre altes Schloss auf dem Hügel über dem verschlafenen Fluss verliebt - kann das wahr sein?

Frau Meisel gehört zu einem Universum der jungen, dynamischen Kunst. Sie ist zweifellos eine Person von immenser künstlerischer Kraft, die fähig ist, vertraute Bilder in eine Vielzahl von Anspielungen, versteckten Referenzen und schwer fassbaren Bedeutungen zu verwandeln. Dass wir uns so gut verstehen und schätzen, liegt an ihrer unerschrockenen Art und meinem vorsichtigen Optimismus: Wir glauben beide, dass das Kloster Zscheiplitz ein 'next big thing' für Kunst- und Stilliebhaber aus ganz Deutschland werden kann.
Was hat Sie dazu inspiriert, das Gut Zscheiplitz als Veranstaltungsort für das Festival „ActionZ“ zu wählen?
Aus der Sicht eines Kunstliebhabers, Sammlers und einfach eines gebildeten Menschen mit vielfältigen Interessen ist es ein idealer Ort für einen Abend mit Freunden oder für einen ganzen Tag voller Entdeckungen und Freude am Feiern von Kunst.

Zscheiplitz ist ein sehr privater Ort, weit weg von der Hektik der Stadt und fühlt sich dennoch nicht abgelegen und isoliert an. Ein Adelssitz mit mittelalterlichem Charme, eine Kunstgalerie mit Gemälden und Skulpturen aus aller Welt, von Lissabon bis Shanghai, ein Weinkeller mit sorgfältig ausgewählten Weinen der besten Weingüter aus der gesamten Weinregion Saale-Unstrut, ein kleiner Klostergarten für stille Besinnung, Entspannung und Verbundenheit mit der Natur. Und das alles auf einer Anhöhe mit atemberaubendem Blick über das schöne Unstruttal, Burgen und Klöster, Wälder und Weinberge.
Wie sehen Sie die Rolle historischer Orte für die Präsentation zeitgenössischer Kunst?
Was meinen Sie mit „scheinbarer Unvereinbarkeit von zeitgenössischen Kunstformen mit dem mittelalterlichen Kunsterbe“? (Zitat von der Website)

Bei der zeitgenössischen Kunst geht es um den Protest gegen den Konsumismus und den Funktionalismus.

Und ein Versuch, das System zu stürzen, in dem menschliche Emotionen und Gefühle mit immer größerer Geschwindigkeit und zu immer niedrigeren Preisen monetarisiert und verkauft werden.

Das mittelalterliche Leben war weder billig, noch schnell. Der Großteil der Kunst wurde nie verkauft oder gekauft - im mittelalterlichen Europa gab es keinen Kunstmarkt. Indem wir zeitgenössische Kunst in alten Gemäuern ausstellen, befreien wir die Kunst von dem Druck der Gier und der Mode. Eine Kunstgalerie ist ein Wirtschaftsunternehmen. Unsere Galerie ist ein integraler Bestandteil eines Familienhauses - wir leben mit der Kunst und in der Kunst.

Eine weitere, oft übersehene Aufgabe ist es, die Kreativität zu fördern und zu inspirieren. Um in einem jahrtausendealten Haus zu überleben, muss man unendlich erfinderisch sein: Die gewöhnlichsten und nützlichsten Dinge, wie die Verlegung von Kabeln oder die Installation von Sanitäranlagen, sind ohne kreatives Denken nicht möglich, was oft zu einer Lösung mit großen ästhetischen Vorzügen führt. In unserem Haus hört die Kreativität nie auf, glauben Sie mir!
Was sind die Herausforderungen bei der Organisation eines so innovativen Festivals in einem historischen Gebäude?
Die größte Herausforderung besteht darin, privat zu bleiben und gleichzeitig an die Öffentlichkeit zu gehen.

Unsere Galerie gibt es seit 2016, aber nur wenige Menschen außerhalb eines kleinen Kreises von Freunden und Bekannten kennen uns. Wir haben noch nie für uns geworben und nie die Öffentlichkeit gesucht. Wir haben nie die Presse eingeladen. Warum eigentlich? Wir schätzen vor allem die Privatsphäre.

Und das soll auch so bleiben. Und wie? Indem wir die Zahl der Einladungen begrenzen und gleichzeitig eine Kette von Ausstellungen, musikalischen Abenden und Soireen über das ganze Jahr hinweg schaffen, um der Nachfrage gerecht zu werden.
Wie würden Sie die Atmosphäre beschreiben, die Sie mit dem Festival in Zscheiplitz schaffen wollen?
Es werden Freunde sein - alte und neue, unsere Gäste aus Halle, Leipzig, Berlin, Hamburg, München. Es wird eine Führung durch das Schloss, die Galerie und die aktuelle Ausstellung geben, gefolgt von einer Verkostung von Rosenwein aus den besten Weinbergen von Saale-Unstrut, einem kleinen Gartenfest, einem Gespräch mit den ausstellenden Künstlern, einem Life-Musik-Konzert.

Um Professor McGonagall von der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei zu zitieren, wird es eine Veranstaltung von „gut einstudierter Frivolität“ sein.
Hoffen Sie, dass das Festival die Art und Weise, wie Kunst und Kultur in der Region betrachtet werden, verändern wird? Hoffen Sie, dass das Festival einen Wandel in der Sichtweise der Menschen auf Zscheiplitz herbeiführt (weg von Klischees)?
Bei der AKTION Z geht es nicht nur um Kunst, Garten oder Baukultur. Es geht um das Leben auf dem Land - im Einklang mit Kunst, Natur und Geschichte. Es geht auch um die Zukunft - wie nutzen wir unsere Kulturdenkmäler? Bewahren wir sie einfach so, wie sie sind, und schirmen das Erbe vor dem Leben ab, indem wir Millionen für Sicherheitssysteme und Zäune ausgeben, oder versuchen wir, sie wieder zum Leben zu erwecken - indem wir Gemeinschaften bilden, Menschen zusammenbringen und das Erbe teilen?

Wir erhalten keine finanzielle Unterstützung von der Gemeinde: Im Kloster Zschieplitz halten wir unsere Türen offen, um Geld für unsere laufenden Restaurierungsarbeiten zu sammeln. Aber wir teilen auch unsere Erfahrungen, unsere Geschichte mit unseren Besuchern, die sich durch das, was bereits getan wurde, inspiriert und durch das, was noch kommen wird, ermutigt fühlen.

Durch die tragischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts hatten die Menschen das Gefühl von Heimat verloren. Ich glaube, dass jeder Mensch, wie hypothetisch auch immer, einen Ort braucht, an dem er willkommen ist. Nicht wegen des Geldes, des Ruhms oder der Umstände der Geburt. Wir haben die wichtigste Kunst vergessen - die Kunst der Gastfreundschaft um der Menschlichkeit willen, nicht um des Profits willen.

Im Kloster Zscheiplitz ist jeder willkommen. Das ist unser Credo.


Interview mit der Veranstaltungsleiterin Charlott Katrin Meisel.

Wie sind Sie zur Kunst gekommen und was bedeutet Kunst für Sie?
Wie ich zur Kunst gekommen bin ist eine interessante Frage. Ich hatte mal eine guten Freund und Kommilitonen an der Uni, der die Zeichnungen seiner Kinder in seinen Arbeiten untersucht hat. Dabei ist ein Vortrag über die kognitive Entwicklung von kindlichen Denkstrukturen entstanden der mich in meinem Kunstverständnis nachhaltig geprägt hat. Er meinte, dass jeder Mensch irgendwann beginnt zu zeichnen. Schon im Kindergarten entwickeln wir mit einfachsten Formen und Symbolen eine Sprache um uns auszudrücken. Manche Künstler benutzen diese anfängliche Sprache weiter und lernen mit der Zeit komplexere Formulierungen dazu.

Ich denke ich bin zur Kunst gekommen, wie alle anderen auch. Ich habe nur nie damit aufgehört sie als Sprache zu sprechen.
War es schon immer Ihr Wunsch Künstlerin zu werden?
Einfaches ja. Ich wollte früher Comiczeichnerin werden und hab dann festgestellt, dass meine Arbeiten nicht in Geschichten funktionieren sondern die Arbeit die Geschichte sein soll.

Einer der tausend Gründe für die Entscheidung zur freien Kunst.

Gibt es Menschen oder Bewegungen, die Ihre Kunst beeinflusst haben?

(Künstler:innen, Mentor:in, Familie, berühmte Personen?)

Ja, viele. Hier alle zu nennen wäre genauso unmöglich wie unfair gegenüber den Personen die mein Kunstverständnis passiv in Kindheit und Jugend geprägt haben. Das ändert sich auch mit der Zeit. Meine LieblingskünstlerInnen können morgen schon andere sein.

Im Moment begeistert mich Christina Quarles sehr.
Was ist ihre Motivation/ Inspiration und gibt es ein bestimmtes Thema, das Sie derzeit besonders beschäftigt?
Meine Kunst beschäftigt sich mit der Verarbeitung von dimorphen, meist unbeabsichtigten Gefühlsreaktionen auf einschneidende Lebensereignisse. Das können meine eigenen sein aber auch globale Katastrophen oder Geschichten von FreundInnen.

Ich versuche zu erforschen warum wir wütend auf eine Person sein können, die wir gleichzeitig lieben. Oder wieso wir sauer sind, dass wir Angst haben vor einer Sache die uns glücklich machen könnte. Das alles erzähle ich meiner Leinwand, wie einer guten Freundin am Telefon und übersetze Menschen in Tiere und nutze meine eigenen Metaphern und Codes als Verschlüsselung.
Welche Botschaft möchten Sie durch Ihre Kunst vermitteln?
Zu behaupten, dass „keine Tabu Themen“ existieren ist immer eine steile These. Vielleicht gefällt mir der Ansatz, dass „über alles gesprochen und reflektiert diskutiert werden muss“. Kunst kann ein guter Anfang für solche Gespräche sein.
Was hat Sie zur Gründung Ihrer Galerie „MEGAPHON“ motiviert?
Warum „Megaphon“? (Metapher für Sprachrohr der Kunst?)
Ich habe lange die Eignungsprüfungen an meiner Universität begleitet und finde es zwar aus Hochschulinterner und Datenschutzrechtlicher Sicht verständlich - aber vom Standpunkt einer/r junge/n KünstlerIn heraus betrachtet fatal, dass es uns damals verboten war über die Gründe einer Ablehnung oder Zusage zum Studium zu informieren. Kunst ist nichts was man zwingend oder überhaupt erlernen muss bzw. kann. Es existieren zahlreiche ungehörte Stimmen von gestandenen KünstlerInnen oder vielversprechenden angehenden StudentInnen, die einfach nur den richtigen Tipp, die richtige Kritik oder den richtigen Zeitpunkt gebraucht hätten um nun da zu stehen, wo ich stehen darf. Meine Galerie ist, war und bleibt immer ein offener Ort. Ein Verstärker, der dafür da ist lauter zu machen was ohnehin schon um uns herum lauert. Da wären wir wieder bei der Definition über die Botschaft der Kunst. Sobald ich mit dem Raum (im wörtlichen und sprichwörtlichen Sinne) in der Lage war ein Gespräch zu eröffnen, war eine Ausstellung ein Erfolg.
Wie sind Sie auf Zscheiplitz aufmerksam geworden?
Ich habe Alex damals bei einem spontanen Wochenend-Trip mit FreundInnen in Freyburg kennen gelernt, viel zu viel Wein getrunken und direkt eingeschlagen ein Projekt zusammen zu startet. Welches wussten wir damals noch nicht. Das kam später durch eine Idee, die ich während einer Kunstmesse in Magdeburg hatte.
Was bedeutet der Ort Zscheiplitz für Sie?
Ich glaube das Zitat „Zscheiplitz ist ein magischer Ort“ ist inzwischen schon überall herumgereicht wurden und das ist gut so! Welche Bedeutung Orte mit der Zeit für einen selbst entwickeln ist glaube ich ein stetiger Prozess. Ich kann aber sagen, dass das Kloster, die Galerie und alles drum herum bei mir nie bei Null angefangen haben. Schon allein die Atmosphäre in den alten Mauern und die Sonne die durch die historischen Fenster fällt, haben was besonderes an sich. Dort mittlerweile Arbeiten zu dürfen ist ein großes Geschenk.
Wie würden Sie die künstlerische Vision des „ActionZ“-Festivals beschreiben?
Ich glaube die Vision ist, im größeren Ausmaß, die selbe wie bei meiner Galerie. Wir wünschen uns einen Ort an dem Menschen zusammen kommen können und Kunst nicht nur an den Wänden einer Galerie passiert sondern vor Ort erlebt wird. Ein Event dass den BesucherInnen den Zugang vereinfacht und eine Verbindung zwischen KünstlerInnen und SammlerInnen her stellt, zu Gesprächen anregt und ein Erlebnis bietet, dass zusammen mit der Atmosphäre im Kloster Zscheiplitz als unvergesslicher Abend in den Köpfen hängen bleibt.
Welche Arten von Kunstwerken werden beim „ActionZ“-Festival zu sehen sein, und wie passt das Festival zu Ihrer eigenen künstlerischen Praxis?
Das Festival zeigt eine bunte Mischung aus internationalen KünstlerInnen aller Altersklassen und verbindet Abstraktes mit Gegenständlichem. Linol- und Holzschnitte hängen wuchtigen Ölarbeiten gegenüber und bilden in einer von mir und Hannah Becker kuratierten Ausstellung eine Sammlung die einen Überblick über die Vielfalt und Bildgewalt der contemporary art und deren Möglichkeiten geben soll. Dabei wird jede/r KünstlerIn gleich behandelt. Meine Bilder fügen sich (hoffentlich) in die Gruppenausstellung als kleines Stück eines Puzzles ein, das zusammen mit den von uns ausgewählten KünstlerInnen, eine gelungene Präsentation ergibt.