Roland Wirtz lacht. „Ich mache Fotos aus einer Zeit, aus der es keine geben kann.“ Denn Fotografien entstanden erst nach 1834 in Frankreich, wo Daguerre und Niepce mit der Camera obscura experimentierten, und in England, wo William Henry Fox Talbot sein fotografisches Verfahren entwickelt hatte. Fotos à la Talbot verlangen Belichtungszeiten zwischen zehn Minuten und zwei Stunden. Darum zeigen sie nur die unbewegten Objekte, Straßen, Bäume, Mauern, Landschaft. Menschen, die durchs Bild laufen, hinterlassen keine Spur, allenfalls einen schemenhaften Schatten. Das ärgerte Talbot, er wollte dokumentieren. Wirtz ist glücklich. Er will keine Momentaufnahmen, will auch nicht historische Bilder nachstellen. Er will nichts weniger, als das Verschwinden und Vergehen in seinen Bildern erlebbar, fühlbar machen. Kalotypie nannte Talbot seine Technik, Ausschnitte der Welt auf lichtempfindlichen Papieren festzuhalten. Roland Wirtz hat herausgefunden, wie das damals funktioniert haben könnte. „Auf die Mischung kommt es an“ sagt er und streicht in der Dunkelkammer Gallussäure, Silbernitrat und Kaliumjodid aufs Papier. „Fertig ist das Negativ!“ Am Ende klammert er das entwickelte Negativ auf das Papier für den Kontaktabzug wie einst Fox Talbot und legt es in die Sonne. Davor lagen das Wachsbad, Entwicklung, Trocknung und ein kleiner Geheimnisverrat: Zum Ausbügeln des Wachses steckt Wirtz das Negativ zwischen die politischen Seiten der F.A.Z. Keine andere Zeitung sei dafür so gut geeignet (Johannes Roth)